Wer glaubt, dass der einzige Unterschied zwischen amerikanischer und österreichischer bzw. deutscher Berichterstattung die Sprache ist, befindet sich auf dem Holzweg.
Ob Zeitungsartikel, TV- oder Radio-Reportagen, deutscher und österreichischer Journalismus unterscheidet sich deutlich von amerikanischem, in Bezug auf Struktur, Umfang und Inhalt.
Ich, Rebecca Schaden, bin mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen und habe mich schon als Kind dafür interessiert, was auf der Welt passiert. Deshalb kam ich schon früh in Berührung mit der österreichischen Medienlandschaft.
Auch ich, Pierce Bruns, konnte bereits einiges an Erfahrung mit deutschsprachigen Nachrichten sammeln, da mein Vater aus Deutschland nach Amerika eingewandert ist und mir Deutsch beigebracht hat.
Als Redakteur:innen für Technician, die Studentenzeitung der North Carolina State University, haben wir einige Unterschiede zwischen amerikanischer, deutscher und österreichischer Berichterstattung festgestellt.
In diesem Artikel wollen wir diese Unterschiede anhand von zwei aktuellen, internationalen Ereignissen untersuchen und die verschiedenen Perspektiven der Nachrichtenmedien näher erläutern.
Während der Begriff „Affirmative Action” in den USA in aller Munde ist, können Österreicher und Deutsche damit oft nur wenig anfangen. Das liegt unter anderem daran, dass er in österreichischen und deutschen Artikeln oft nicht näher erklärt wird.
So lautet die Schlagzeile des “Österreichischen Rundfunks”, “ORF”, “Förderung von Minderheiten an Unis gekippt”, während das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” von “Supreme Court untersagt Studentenauswahl anhand von Hautfarbe – und das sind die Folgen” spricht. Den Begriff “Affirmative Action” erwähnt der ORF in der Überschrift nicht.
Ein markanter Unterschied liegt auch in der Struktur und Formulierung der Artikel. Amerikanische Zeitungen, wie etwa die “New York Times” und “The Washington Post”, fokussieren sich meistens auf den Prozess, der zu einem Beschluss führt und nicht auf den Beschluss selbst.
Ein Artikel, der am 29. Juni 2023 im Washington Post veröffentlicht wurde, beschreibt zum Beispiel die Art und Weise und den Zeitpunkt, zu dem Clarence Thomas, der als beisitzender Richter des Supreme Courts fungiert, seine Meinung zum Beschluss des Supreme Courts kundtut, als ungewöhnlich.
„Thomas, who for decades was in the minority as the court upheld versions of affirmative action policies, took the unusual step of reading from his concurring opinion immediately after Roberts read the majority’s decision.”
Auch die New York Times konzentriert sich eher darauf, was bestimmte Handlungen der Akteur:innen im Kontext bedeuten, als auf die Handlung an sich.
„Justice Sonia Sotomayor summarized her dissent from the bench, a rare move that signals profound disagreement, and said that affirmative action was crucial to countering persistent and systematic racial discrimination.”
Daran sieht man, dass amerikanische Journalist:innen sich besonders für subtile Signale von Akteur:innen interessieren und auf diese aufmerksam machen bzw. diese näher erläutern wollen. Österreichische und deutsche Nachrichtenmedien kommen im Gegensatz dazu schneller zum Punkt.
Zitate werden direkt ins Deutsche übersetzt und Quellen werden oft nicht explizit genannt, sondern müssen aus dem Kontext abgeleitet werden. Eine Klarstellung, wer, was, wann und in welchem Zusammenhang gesagt hat, erfolgt oft nicht.
Ein Beispiel dafür findet sich in einer am 29. Juni 2023, veröffentlichten ORF-Reportage, die einen Teil von Richter Roberts Beschlusses auf Deutsch zitiert.
„Viele Universitäten haben viel zu lange genau das Gegenteil getan. Und dabei sind sie fälschlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass der Prüfstein für die Identität eines Menschen nicht die gemeisterten Herausforderungen, die erworbenen Fähigkeiten oder die gelernten Lektionen sind, sondern die Hautfarbe. Unsere Verfassungsgeschichte duldet diese Entscheidung nicht.”
Auch in der Nachrichtenberichterstattung über den anstehenden Klimagipfel in Dubai zeigt sich deutlich, dass deutsche, österreichische und amerikanische Zeitungen andere Schwerpunkte setzen und Interessen verfolgen. Ein umstrittenes Thema dieser Debatte ist zum Beispiel die Rolle des Gastgebers.
Die österreichische “Wiener Zeitung” gibt sich skeptisch in Bezug auf die Wirksamkeit des Gipfels, da kein Land zur Einhaltung und Förderung der Klimaziele verpflichtet werden kann.
„Doch beim COP 28-Gipfel kann keinem Land verordnet werden, was es zu tun hat. Wie viel Nationen tatsächlich für den Klimaschutz leisten, bleibt ihnen überlassen.”
Im Gegensatz dazu sieht die deutsche Zeitung Der Spiegel die Übereinkunft zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Bereitstellung eines Katastrophenfonds für ärmere Länder als positive Überraschung.
„Das ist auch die Hoffnung der deutschen Delegation: »Dieser Einigungswille gleich zu Beginn der Konferenz schafft Vertrauen. Ich bin zuversichtlich, dass auf dieser Basis weitere Fortschritte folgen werden«, hofft auch die Bundesentwicklungsministerin.”
Während deutsche Medien der Allianz mit den Vereinigten Emiraten gegenüber optimistisch gestimmt sind, zeigen sich US-amerikanische Medien dem Gastgeber gegenüber skeptisch.
„There is skepticism of this COP — where it is and who is running it,” said Ani Dasgupta, president of the World Resources Institute, a research organization.”
Die New York Times und die Washington Post kritisieren die Entscheidung von Präsident Joe Biden, nicht an dem Treffen teilzunehmen. Erstere verdeutlicht diesen Standpunkt durch ein Zitat der Union of Concerned Scientists, einer Gruppe, die sich für Fortschritte in der Eindämmung des Klimawandels einsetzt und diese Klimakonferenz als gute Basis für eine globale Zusammenarbeit sieht.
„This is a crucial moment for the United States to join with other world leaders and demonstrate genuine progress toward solving a crisis that is rapidly spiraling out of control.”
Es ist spannend zu sehen, inwiefern sich die Berichterstattung amerikanischer, österreichischer und deutscher Medien unterscheidet, vor allem wenn die Themengebiete dieselben sind. Wir sehen es als Aufgabe der Medien und Journalist:innen ihre Leserschaft über aktuelle Themen zu informieren und die Aspekte hervorzuheben, die für diese relevant sind.
Aus diesem Grund empfehlen wir Leser:innen sich Informationen nicht nur aus einer einzigen Quelle zu beschaffen, sondern verschiedene nationale und internationale Medien zu vergleichen. Das ist insbesondere dann relevant, wenn nationale Nachrichtenmedien bestimmte politische Interessen verfolgen.
Indem sie eine Vielzahl an Informationsquellen berücksichtigen, können sich Leser:innen selbst ein Bild von allen Aspekten des Geschehens machen und sich auf diese Weise eine qualifizierte Meinung zu verschiedenen Themen bilden.
